Otto Scholderer
Englische Landschaft, um 1884
Mit heller Palette, sein enges Verhältnis zur französischen Malerei verratend, gibt Scholderer die sommerliche Landschaft in der Grafschaft Wiltshire im Südwesten Englands wieder. Die Luft ist klar in der so typischen englischen Witterung, in der sich Regen und Sonne zügig abwechseln und die der Künstler in den großen, sich dynamisch im Hintergrund bewegenden Wolkenformationen festhält. Der Vordergrund ist dominiert von einem Wasserlauf, der sich durch die sattgrünen Wiesen der Landschaft zieht. Besonders die sich im Gewässer spiegelnden Bäume und Himmelszonen geben Scholderers ausgeprägtes Interesse an der Wiedergabe von Lichtverhältnissen und der Licht- und Schattenverteilung wieder. Auch die Wahl des Landschaftsausschnittes selbst und die bei ihm keinesfalls überhöht wiedergegebene Natur verrät seine Einflüsse: die Landschaftsmalerei von Constable1, der einer der ersten Künstler war, der sich von den gängigen Vorbildern einer idealen Landschaft loslöste und der Londoner Akademie den Rücken kehrte, um seine Heimat Suffolk zu malen. Er führte zahlreiche Studien vor der Natur aus und setzte sich ausgiebig mit schnell wechselnden Wetterphänomenen auseinander. Diese, für seine Zeit ungemein moderne Malerei sorgt, als sie 1825 in Paris ausgestellt wird, für Aufruhr bei den französischen Künstlerkollegen und fällt bei den Freilichtmalern der Schule von Barbizon auf fruchtbaren Boden;2 jenen Künstlern, die Scholderers Landschaftsauffassung maßgeblich prägen und ihm durch seine zahlreichen Parisaufenthalte und seine Teilnahme am Pariser Salon von 1865, 1869 und 1870 bekannt waren.3 Landschaftsdarstellungen sind im Œvre Scholderes eher eine Seltenheit. So sind aus dem künstlerischen Nachlass lediglich dreißig Werke überliefert und in der sehr überschaubaren Anzahl der in England zwischen 1871–1899 entstandenen Werke dominieren meist Studien.
Scholderer verbrachte den Sommer 1884 in Wiltshire, wo neben dem vorliegenden Werk eine weitere ausgeführte Landschaft entstand,4 welche jedoch im Gegensatz zu dem vorliegenden Bild durch weitere Tierstaffage und eine am Fluss sitzende, in die Ferne blickende Figur erweitert wurde. Zwei auf dieses Jahr datierte Studien, von der lediglich eine erhalten ist, legen eine Datierung auf dieses Jahr nahe.5
Fußnoten
-
John Constable (1776–1837). ↩
-
Bagdahn, Jutta M.: Otto Franz Scholderer 1834–1902. Monographie und Werkverzeichnis (Diss. Freiburg/Br. 2002), S. 143. ↩
-
Neben diesen seien als Auswahl die persönlichen Bekanntschaften zu Gustav Courbet, Eduard Manet und Henri Fantin-Latour zu nennen. ↩
-
Siehe Bagdahn 2002, WZV Nr. 246. ↩
-
Ebd, S. 150. ↩