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Ottilie Wilhelmine Roederstein

* 1859 – † 1937

Früchtestillleben, um 1903

Öl auf Leinwand
26,541

Monogrammiert unten links: OWR

Als Ottilie Roederstein 1891 nach Frankfurt übersiedelte, war sie bereits eine etablierte Künstlerin die Ausstellungerfolge nicht nur in ihrer Züricher Heimat, sondern auch auf der Internationalen Kunstausstellung in München 1888 und gekürt mit einer Silbermedaille in der Schweizer Sektion der Pariser Weltausstellung 1889 feierte. Dass die Wahl ausgerechnet auf Frankfurt als neuen Wohnort fiel, steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Möglichkeit für Roedersteins Lebensgefährtin Elisabeth Winterhalter,1 als erste Frau eine gynäkologische Praxis in Frankfurt zu eröffnen.2 Unmittelbar nach ihrer Ankunft in Frankfurt suchte Roederstein den Kontakt zu unserem Haus, um zu erörtern, wie sie sich in Frankfurt etablieren könnte. Gottfried Andreas empfahl ihr daraufhin, Porträts der Frankfurter Gesellschaft anzufertigen und gab ihr sogleich den Auftrag, seine Frau Auguste Andreas darzustellen.3 In der Folge vermittelten wir zahlreiche Porträtaufträge prominenter Frankfurter Bürger an die Künstlerin. Dies war der Beginn einer fruchtbaren Zusammenarbeit, die unter anderem in einer Einzelausstellung (1897) und einer weiteren Ausstellung zusammen mit Jakob Nussbaum4 (1913) in unserem Haus mündete.

Stillleben sind im Œuvre Roedersteins im ausgehenden 19. Jahrhundert noch sehr selten zu finden. Erst mit der eingehenderen Auseinandersetzung mit dem französischen Impressionismus um die Jahrhundertwende ist ab 1903 ein starker Anstieg in dieser Gattung zu beobachten, welche im Gesamtœuvre der Künstlerin quantitativ den zweiten Platz nach den Porträts einnimmt.5 Auch der ausgeprägte Einfluss Henri Fantin-Latours6 ist deutlich, wie der Vergleich mit dem Stillleben mit Birnen und Kasserolle7 von 1903 zeigt. Im vorliegenden Werk geht Roederstein allerdings noch einen Schritt weiter. Sie experimentiert mit den Veränderungen der Farben durch die Absorption des Lichtes und dem damit einhergehenden Wechsel der Perspektive hinsichtlich der Auswirkungen auf die Wahrnehmung der Volumina der einzelnen Gegenstände. Diese stark von Paul Cézanne8 beeinflusste Malweise nimmt eine Sonderstellung ein und findet sich erst um 1917 im Stillleben mit Krug, Birnen und Äpfeln9 wieder, jener Zeit, in der die Künstlerin einen stark konturierenden und flächigeren Stil entwickelt.


  1. Elisabeth Hermine Winterhalter (1856–1952) war eine der ersten deutschen Gynäkologinnen, die erste deutsche Chirurgin, Frauenrechtlerin und Gründerin der ersten Frankfurter Mädchenschule (heute Schillerschule).

  2. Kat. Ausst. Malweiber. Von Ottilie Roederstein bis Gabriele Münter, Museum Kronberg Malerkolonie 2012, Kronberg 2012, S. 41.

  3. Vgl. Kat. Ausst. frei. schaffend. Die Malerin Ottilie W. Roederstein, Städel Museum Frankfurt am Main 2021, Berlin 2021, S. 92, Nr. 34 (Abb).

  4. Jakob Nussbaum (1873–1936).

  5. Rök, Barbara: Ottilie W. Roederstein (1859–1937). Eine Künstlerin zwischen Tradition und Moderne, Monographie und Werkverzeichnis, Marburg 1999, S. 184.

  6. Henri Fantin-Latour (1836–1904).

  7. Vgl. Kat. Ausst. frei. schaffend. Die Malerin Ottilie W. Roederstein, Städel Museum Frankfurt am Main 2021, Berlin 2021, S. 104, Nr. 48.

  8. Paul Cézanne (1839–1906).

  9. Vgl. Rök, Barbara: Ottilie W. Roederstein (1859–1937). Eine Künstlerin zwischen Tradition und Moderne, Monographie und Werkverzeichnis, Marburg 1999, S. 187, Nr. 166 (Abb.).

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