Johann Wilhelm Schirmer
Der Jacobigarten in Düsseldorf, 1853
Johann Wilhelm Schirmer trat 1825 in die Düsseldorfer Kunstakademie ein. Diese sollte in der Folgezeit unter der Leitung Wilhelm von Schadows1 eine führende Stellung einnehmen und Düsseldorf den Ruf einer bedeutenden Kunststadt mit internationalem Ansehen einbringen. Die Kunstakademie setzte in dieser Zeit wichtige Impulse bei der Weiterentwicklung der Landschaftsmalerei. Die unter Schadow erzielten Erfolge Schirmers spiegeln sich auch in der Entscheidung seines Lehrers wider, sich im Zuge seiner Italienreise 1830 von seinem Schüler gemeinsam mit Carl Friedrich Lessing2 im Unterrichten des Landschaftsfachs vertreten zu lassen. Es war schließlich Schadows Einfluss zu verdanken, dass Schirmer 1839 zum Professor an der Akademie ernannt wurde.3 In seinem letzten Jahr in Düsseldorf, bevor er dem Ruf des Prinzregenten und späteren Großherzogs Friedrich I. von Baden4 folgte und erster Direktor der neu gegründeten Karlsruher Kunstschule wurde, lässt sich Schirmer durch das Idyll des englischen Landschaftsparks des Jacobigarten in Düsseldorf zu vorliegendem Werk inspirieren.5 Unter einem Baum, der den rechten Bildrand rahmt, wählt der Maler seinen Standort. Vor ihm windet sich ein Weg parallel zu einem Bachlauf in die Tiefe. Auf der von der Sonne erhellten Wiese setzen Blumen mit ihren zarten Weiß-, Blau-, Rot- und Gelbtönen gefühlvolle Akzente gegenüber dem dominierenden Grün der gesamten Vegetation. Es scheint das Licht gewesen zu sein, das den Künstler bei seiner Wahl des Standpunkts maßgeblich leitete. Mit hellen Grüntönen gibt er im Laubwerk des Baums jene vom Sonnenlicht beschienenen Blätter wieder, bevor das Licht diese durchdringt und einzelne Partien der Äste und des Stamms erhellt. Sobald der Weg ins schattige Dickicht wechselt, scheint das Auge sich im Halbdunkel zu verlieren, bevor es die kleine Holzbrücke, welche die nördliche Düssel überquert, wahrnimmt. Im Hintergrund, der fast ganz ohne Himmelszone auskommt, lässt ein leichtes Leuchten der Farben hinter der Brücke Ferne erahnen. Nicht ein stereotyper Bildaufbau, sondern die Wahl des Bildausschnitts verleiht der Szenerie einen unmittelbaren und intimen Eindruck einer doch von Menschenhand gestalteten Natur. Der Standort des Malers dürfte vermutlich im südöstlichen Teil des Gartens gelegen haben (Abb. 1), den die Familie Jacobi um 1765 als Privatgarten ursprünglich im barocken Stil anlegen ließ. Ab 1790 veranlasste der bedeutende Philosoph und Literat Friedrich Heinrich Jacobi6 eine Umwandlung der Anlage dem damaligen Zeitgeschmack entsprechend im Stile eines englischen Landschaftsgartens, der den Anschein von nicht gestalteter Natur erwecken sollte und bis heute so erhalten ist. Inspiration erfuhr Jacobi auf einer Englandreise und dem Besuch der Parkanlage von Painshill, die ihm als Vorbild diente.7 Unter Jacobi avancierte das Anwesen zu einem wichtigen Treffpunkt bedeutender Geistesgrößen jener Zeit, zu denen neben Goethe und Herder unter anderem auch die Gebrüder Humboldt8 gehörten. Das seit Ende der 1840er-Jahre zum Verkauf stehende Grundstück muss sodann Schirmer schon in der Zeit vor dem Erwerb durch den Kunstverein Malkasten9 1861 zugänglich gewesen sein. Im Revolutionsjahr 1848 gegründet, hatte der Malkasten das Ziel, ein Ort für einen geselligen und gleichberechtigten Austausch zwischen Künstlern und Nicht-Künstlern10 im Sinne der Gleichberechtigung der einzelnen Farben in einem Malkasten zu sein. Schnell entwickelte sich dieser zu einem bedeutenden Ort für das Düsseldorfer Kultur- und Gesellschaftsleben, wobei seine Anziehungskraft weit über die Grenzen des Rheinlands hinaus reichte.11 Der Garten trug fortan den Namen „Malkastengarten“, in dem ausgiebige Feste mit Musikern, Schriftstellern und Dichtern gefeiert wurden. Schirmer war dem Malkasten freundschaftlich verbunden und wahrscheinlich zeitweise Mitglied. Anlässlich seiner Berufung nach Karlsruhe wurde ihm zu Ehren am 2. September 1854 ein Abschiedsfest veranstaltet.12 Sein ein Jahr zuvor entstandenes Gemälde wirkt wie eine Vorausschau auf die wiederaufkeimende intellektuelle Blüte, die das Anwesen durch den Einfluss des Malkastens erlangen sollte.
Wir danken Frau Sabine Schroyen für ihre freundliche Unterstützung.
Abb.1 Foto Holger Klaes, Klaes-images
Fußnoten
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Friedrich Wilhelm von Schadow (1788–1862) trat 1826 die Nachfolge von Peter von Cornelius (1783–1867) als Direktor an der Düsseldorfer Kunstakademie an. ↩
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Carl Friedrich Lessing (1808–1880). ↩
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Johann Wilhelm Schirmer. Vom Rheinland in die Welt. Eine begleitende Publikation zur Verbundausstellung in Düsseldorf, Neuss, Jülich, Bonn, Bergisch Gladbach und Königswinter, Bd. 1, Petersberg 2010, S. 19. ↩
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Großherzog Friedrich I. von Baden (1826–1907). ↩
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Kat. Ausst. Johann Wilhelm Schirmer in seiner Zeit, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe 2002, Heidelberg 2002, S. 66. ↩
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Friedrich Heinrich Jacobi (1743–1819). ↩
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Lang, Gundula/Schroyen, Sabine: Der Malkastenpark in Düsseldorf, in: Rheinische Kunststätten Heft 555 (2015), S. 10. ↩
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Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832), Johann Gottfried von Herder (1744–1803), Friedrich Wilhelm Heinrich Alexander von Humboldt (1769–1859) und Friedrich Wilhelm Christian Cal Ferdinand von Humboldt (1767–1835). ↩
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Der Kunstverein Malkasten, in dessen Besitz sich das Anwesen bis heute befindet, gilt neben dem 1841 gegründeten Verein Berliner Künstler als einer der ältesten und traditionsreichsten Künstlergesellschaften. ↩
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Zu diesen gehörte u. a. Robert Schumann (1810–1856). ↩
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Lang/Schroyen 2015, S. 3 f. ↩
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Kat. Ausst. Johann Wilhelm Schirmer in seiner Zeit, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe 2002, Heidelberg 2002, S. 68. ↩