zurück zur Übersicht

Jean-Joseph-Xavier Bidauld

* 1758 – † 1846

Paysage rocheux, späte 1780er Jahre

Öl auf Holz
2229
Paysage rocheux, späte 1780er Jahre

Der in der Provence geborene Jean-Joseph-Xavier Bidauld ist der frühen Generation neoklassizistischer Landschaftsmaler in Frankreich um Pierre-Henri de Valenciennes, Jean-Victor Bertin und Nicolas-Didier Boguet zuzuordnen.1 Im Alter von 10 Jahren begab er sich nach Lyon, um bei seinem älteren Bruder, dem Stillleben- und Landschaftsmaler Jean-Pierre-Xavier Bidauld2, ersten Malunterricht zu nehmen. Ergänzt wurde diese Ausbildung durch Kurse an der Akademie in Lyon. Seine darauffolgende autodidaktische Arbeit in der Provence brachte ihm genug Geld ein, um ein Studium in Paris finanzieren zu können.3 Dort trat er allerdings nicht in die Akademie ein, sondern studierte bei dem Kunsthändler Dulac die von ihm bewunderten niederländischen Meister des 17. Jahrhunderts, arbeitete in Fontainebleau in der Natur und wurde in das Atelier von Claude-Joseph Vernet4 aufgenommen.5 Die großzügige Förderung Dulacs ermöglichte ihm ab 1785 eine fünfjährige Italienreise. Ausgehend von der ewigen Stadt unternahm er zahlreiche Reisen6 und Ausflüge, unter anderem in das etwa fünfzig Kilometer nördlich gelegene Civita Castellana. Die auf einem Hochplateau gelegene Stadt ist umgeben von steilen Schluchten aus rötlichem Tuffstein, in denen Wildbäche fließen.7 Wie viele andere Künstler war auch Bidauld diesem magischen Ort erlegen und nach Einschätzung Stéphane Rouvets hielt er ihn in der vorliegenden Ölstudie zum Ende seines ersten Italienaufenthalts fest.

Der gewählte Bildausschnitt, der fast gänzlich ohne Himmelszone auskommt, erlaubte es dem Maler, sich vollends auf die Darstellung der vor- und zurückspringenden Tuffsteinformationen zu konzentrieren. Mit raffinierter Palette fing er das Spiel aus Licht und Schatten in den Felsen und der akribisch wiedergegebenen Buschvegetation ein. Zeitgenossen wussten zu berichten, dass der Maler mit großer Ausdauer tagelang der Hitze trotzend an einem Ort verweilte, bis er seine Bilder fertig gestellt hatte.8 Wie viel Aufmerksamkeit und Hingabe Bidauld diesen vollends ausgeführten Studien schenkte, zeigt des Weiteren das Werk Gorge at Cività Castellana.9 Ebenfalls in die späten 1780er Jahre zu datieren, verdeutlicht es, dass diese Form der Pleinairmalerei nicht auf kleine Formate beschränkt blieb. Solche Ölstudien, die sich unter Verzicht auf jeglichen anekdotischen Charakter ganz auf die Natur konzentrieren, dienten dem Künstler als wertvolle Erinnerungsstütze und vorbereitende Skizze für die im Atelier realisierten Gemälde, die man der Öffentlichkeit sodann im Salon vorstellte. Wie an unserem Beispiel erkennbar, wurden sie vor Ort mit größter Sorgfalt ausgeführt. Sie blieben meist ein Leben lang im Besitz des Künstlers, wo sie auch als Referenz für dessen Schüler im Atelier hingen. War die neoklassizistische Naturstudie im Wesentlichen noch von vertraulichem Charakter, so entwickelte sie sich im Laufe des 19. Jahrhunderts durch die leidenschaftliche Umsetzung nachfolgender Generationen zu einem autonomen Genre.10

1790 kehrte Bidauld nach Paris zurück und nahm fortan mit historischen Landschaften erfolgreich am Salon teil. Sein Ansehen als Künstler wurde ab der Jahrhundertwende durch Aufträge hoher Persönlichkeiten wie König Karl IV. von Spanien, Joseph Bonaparte oder Prinzessin Caroline Murat11 gefestigt. Mit der Wahl zum Mitglied der Pariser Akademie als erster Landschaftsmaler überhaupt im Jahr 1823 und der Ernennung zum Ritter der Ehrenlegion zwei Jahre später manifestierte sich sein Status als gefragter und anerkannter Landschaftsmaler.12

Auch wenn am Beispiel der vorliegenden, in den späten 1780er Jahren entstandenen Ölstudie der Beitrag Bidaulds zur Entwicklung der Landschaftsmalerei hin zu einer realistischeren Darstellungsweise eminent ist, führte für ihn zeitlebens kein Weg an der auskomponierten historischen Landschaft vorbei. Er nutzte seinen Status und seine Rolle als Juror im Salon, um sich der neu aufkommenden Landschaftsschule von Barbizon, wie unter anderem Théodore Rousseau schmerzhaft erfahren musste, entgegenzustellen. Allerdings konnte er den Weg dieser nicht aufhalten, hatte seine eigene Generation doch selbst mit ihren zu jener Zeit progressiven Studien vor der Natur den Keim für die sich fortentwickelnde Pleinairmalerei mit gesät. Die Bedeutung von Bidaulds Naturstudien für die Folgegeneration formulierte Camille Corot13 wie folgt:

„(...) Er war manchmal ein Meister, und zwar einer der exquisitesten. Jedes seiner kleinen Gemälde ist ein Meisterwerk und für jedermann, gleichgültig ob jung oder alt, ein gutes Beispiel und ein nützlicher Ratgeber. Ich bewundere Bidauld ganz besonders und respektiere ihn, denn ich verdanke ihm viel, wenn nicht sogar das Beste von meinem eigenen Schaffen (...)“14

Das Werk wird in das sich in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis von Stéphane Rouvet aufgenommen, der die Authentizität bestätigte.

Fußnoten

  1. Pierre-Henri de Valenciennes (1750–1819), Jean-Victor Bertin (1767–1842) und Nicolas-Didier Boguet (1755–1839).

  2. Jean-Pierre-Xavier Bidauld (1745–1813).

  3. Gutwirth, Suzanne: Jean-Joseph-Xavier Bidauld. (1758–1846) peintures et dessins, Nantes 1978, Biografie, o. S.

  4. Claude-Joseph Vernet (1714–1789).

  5. Kat. Ausst. A Brush with Nature. The Gere Collection of Landscape Oil Sketches, The National Gallery, London 1999, S. 32.

  6. In der Umgebung von Rom besuchte er unter anderem Tivoli, Narni, Subiaco, die Sabiner Berge sowie Monte Cavo und Monte Soratte.

  7. Kat. Ausst. Amoris causa. Trophées des peintres voyageurs 1750–1850, Galerie Lestranger Paris 2004, S. 12.

  8. Ebd., S. 12.

  9. Jean-Joseph-Xavier Bidauld, Gorge at Cività Castellana, späte 1780er Jahre, Öl auf Papier auf Leinwand, 50 x 37,5 cm, Schwedisches Nationalmuseum, Stockholm, Inv.-Nr. NM 6776

  10. Ebd., S. 10.

  11. Karl IV. von Spanien (1748–1819), Joseph Bonaparte (1768–1844) und Prinzessin Caroline Murat, geborene Bonaparte (1782–1839), die vier großformatige Gemälde für den Élysée-Palast in Auftrag gab. Diese schmücken noch heute den Salon Murat, in dem der französische Ministerrat tagt.

  12. Gutwirth, Suzanne: Jean-Joseph-Xavier Bidauld. (1758–1846) peintures et dessins, Nantes 1978, Biografie, o. S.

  13. Jean-Baptiste Camille Corot (1796–1875).

  14. Laurens, Jules: La légende des ateliers, Carpentras 1901, S. 288; https://archive.org/details/lalegendedesatel00laur/mode/2up?q=Bidauld.

zurück zur Übersicht