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Caspar David Friedrich

* 1774 – † 1840

Blick aus der Nähe des Linckeʼschen Bades über die Prießnitz elbaufwärts, um 1799/1800

Feder in Grau und teils in Braun über Bleistift, Pinsel- und Tuschespuren auf Büttenpapier, mit Griffelspuren zur Übertragung, Wasserzeichen: J. Honig & Zoonen
34,547,6
Bezeichnet oben links mit Bleistift: p 2 Bezeichnet unten links mit Bleistift: Com (?) Weiß mit blau (…) o gelb x hel-grün/(…) Bezeichnet innerhalb der Zeichnung (auf dem Giebel eines Hauses links) mit Bleistift: x Bezeichnet innerhalb der Zeichnung (auf dem Giebel eines Hauses in der Mitte): o
Blick aus der Nähe des Linckeʼschen Bades über die Prießnitz elbaufwärts, um 1799/1800

Der in Greifswald geborene Caspar David Friedrich erhielt seine erste Ausbildung in seiner Heimatstadt bei dem Universitätszeichenlehrer Johann Gottfried Quistorp1, bevor er auf dessen Empfehlung 1794 sein vierjähriges Studium an der renommierten Kopenhagener Akademie antrat. Auch wenn zu dem von Zeichenunterricht dominierten Curriculum keine Darstellungen von Landschaften gehörten, bestand doch die Möglichkeit, sich diesen in Privatstunden der Professoren zu widmen. Als wichtigste Einflüsse des jungen Künstlers aus dieser Zeit sind seine Professoren Jens Juel, Nicolai Abildgaard und Christian August Lorentzen zu nennen.2 Nach Abschluss seiner Ausbildung in Dänemark zog es ihn 1798 nach Dresden, wo er bis zu seinem Lebensende wohnhaft bleiben sollte. In seiner neuen Heimat darf neben Jakob Crescenz Seydelmann3 der Einfluss Adrian Zinggs4, 1766 als Professor der Kupferstechkunst an die Dresdner Kunstakademie berufen, nicht unerwähnt bleiben. Für seine mit höchster Genauigkeit wiedergegebenen Landschaftsdarstellungen, die auch in kolorierte Umrissradierungen umgesetzt wurden, genoss er bei seinen Zeitgenossen höchstes Ansehen.5

Um die Jahrhundertwende wählte Friedrich die Doppelseite seines Skizzenbuches, um an der Mündung der Prießnitz vom Neustädter Elbufer aus, nach Ostend blickend, vorliegende Ansicht festzuhalten.6 Links führt die untere Prießnitz-Brücke hinüber zum Linckeʼschen Bad, benannt nach Christian Lincke, der das Grundstück 1775 erwarb und es zu einem Ausflugsort ausbaute. Bereits zuvor wurde auf Betreiben des Arztes Peter Ambrosius Lehmann hier eines der ersten Freiluftbäder angelegt. Im Jahr 1776 entstand sodann auch ein Theatergebäude, welches wir in Friedrichs Arbeit, eingefasst von Bäumen, in Form des großen Hauses mit Krüppelwalmdach links wiederfinden.7

An der Einmündung der Prießnitz in die Elbe entdecken wir mehrere Staffagegruppen, bei denen es sich wohl um erholungssuchende Bürger Dresdens handeln dürfte: im Vordergrund ein sich umarmendes Paar, die Frau mit Schirm nur in der Bleistiftvorzeichnung wiedergegeben, der Herr bereits mit Tusche weiter ausgeführt. Daneben erklimmt ein Mann die Böschung an der Prießnitz. Eventuell handelt es sich bei den beiden bis zur Kniehöhe vom Gelände verdeckten Figuren am oberen rechten Bildrand um weitere Skizzen zu diesem. Auf dem gegenüberliegenden Ufer der Prießnitz säumt ein weiteres Paar die Landzunge. Neben den festgemachten Booten sind zwei mit zartem Bleistiftstrich erfasste sitzende Figuren zu erkennen, bevor in der Ferne ein Angler auszumachen ist. Helmut Börsch-Supan verweist in seiner Expertise zu dieser Zeichnung auf den Zusammenhang der etwas ungelenk festgehaltenen Bewegungen der Staffage mit Blättern aus den beiden Skizzenbüchern8 im Berliner Kupferstichkabinett von 1799 und 1800.9 Was sich hier bereits abzeichnet, ist auch im weiteren Verlauf des zeichnerischen Œuvres Friedrichs zu beobachten: dass er sich mit der Wiedergabe menschlicher Figuren schwer tat.10 Dass sich der Künstler nach Abschluss seiner Ausbildung in Kopenhagen in der Dresdener Akademie 1798 für Kurse im Aktzeichnen einschrieb, spricht dafür, dass ihm dies zur damaligen Zeit bewusst war.11

Im Hintergrund unserer Vedute sind auf der Elbe einzelne Segelbote erkennbar, bevor unser Blick in den Hügeln oberhalb der Flussbiegung auf vereinzelte Weinberge und rechts das Dorf Loschwitz fällt. Im oberen Bildteil fängt Friedrich mit Bleistift großflächig Wolkenformationen ein, die bis zum oberen Bildrand reichen und dort vereinzelt mit Skizzen überzeichnet sind.

Am gegenüberliegenden Elbufer rechts ist ein weiteres markantes Gebäude zu sehen, bei dem es sich um das Landhaus Antons handelt. Auf dem Gelände einer alten Kalkbrennerei hatte der kurfürstliche Oberfloßinspektor der Elster- und erzgebirgischen Flößerei und Steuerrat, Christian Gottlob Anton, 1754 eine Villa erbauen lassen, die später mit einem im englischen Stil angelegten Garten erweitert wurde. An das Anwesen angeschlossen war eine Gastwirtschaft, die sich bei den Dresdnern großer Beliebtheit erfreute.12 Zu den Gästen zählte auch E. T. A. Hoffmann, der in seiner 1814 erschienenen Novelle Der Goldne Topf seinen Protagonisten auf dessen Weg erst am Linckeʼschen Bade halten lässt, bevor er die Elbe übersetzt und erlebt: „daß auf dem jenseitigen Ufer bei dem Antonschen Garten ein Feuerwerk abgebrannt wurde.“13

An den Umrissen der Villa wird deutlich, dass Friedrich gegenüber der Bleistiftvorzeichnung die Proportionen der Architektur mit Tusche entsprechend der Distanz vom Betrachterstandpunkt korrigierte. Rund ein Vierteljahrhundert nach unserer Zeichnung hält Traugott Faber14, wiederum von Friedrichs 1822 in der Dresdner Akademie gezeigten Gemälde Frau am Fenster15 inspiriert, aus einem der Gaubenfenster der Villa Antons den entgegengesetzten Blick fest.16

Wie Börsch-Supan ausführt, war vorliegende, teils durchgegriffelte und rückseitig geschwärzte Zeichnung wohl als Vorlage für eine bisher nicht nachweisbare Vedute gedacht. Die nur schwer zu entziffernden Farbnotizen, die der Künstler am unteren linken Bildrand niedergeschrieben hat und die sich auf die mit x und o gekennzeichneten Gebäude im Linckeʼschen Bade beziehen, könnten für die Ausführung als Aquarell oder Gouache sprechen. Möglich wäre aber auch, dass die Ausführung einer kolorierten Umrissradierung geplant war, was den oberen der beiden feinen Striche am unteren Bildrand erklären würde. In diesem Fall hätte in dem Streifen unter diesem Strich eine Beschriftung, die sogenannte Legende, Platz gefunden.

Vorliegendes Werk, das eindrücklich den Werkprozess des Künstlers veranschaulicht, scheint als doppelseitiges Skizzenbuchblatt in seiner Größe im zeichnerischen Werk Friedrichs bis zu seinem Greifswaldaufenthalt 1801 einmalig zu sein.17 Auch der hohe Ausführungsgrad als Vedute in einem Skizzenbuch ist in diesem Zeitraum lediglich mit der Arbeit Briesnitz an der Elbe18 vergleichbar, die jedoch ohne Staffage auszukommt.

Es freut uns, diese bis 2009 vollkommen unbekannte Zeichnung anlässlich des Jubiläums zu Friedrichs 250. Geburtstag gemeinsam mit Emanuel von Baeyer erstmals auf dem Kunstmarkt anbieten zu können.

Fußnoten

  1. Johann Gottfried Quistorp (1755–1835) war Architekt, Maler und Hochschullehrer.

  2. Jens Jørgensen Juel (1745–1802), Nicolai Abraham Abildgaard (1743–1809) und Christian August Lorentzen (1749–1828).

  3. Der Dresdner Maler Jacob Crescenz Seydelmann (1750–1829) gilt als Erfinder der eigentlichen Sepiatechnik, mit der sich Friedrich in dieser Zeit auseinandersetzte und die er weiterentwickelte.

  4. Der Schweizer Landschaftszeichner, Radierer und Kupferstecher Adrian Zingg (1734–1816) zählt mit seinen penibel wiedergegebenen Landschaften, denen eine „romantisch“ verklärte Kunstauffassung innewohnt, zu einem wichtigen Wegbereiter der Dresdner Romantik.

  5. Kat. Ausst: Caspar David Friedrich und die Vorboten der Romantik, Museum Georg Schäfer Schweinfurt und Kunstmuseum Winterthur 2023, München 2023, S. 27 f.

  6. Die Datierung und geographische Verortung unserer Zeichnung ist maßgeblich auf die von Börsch-Supan erstellte Expertise zurückzuführen.

  7. Nickel, Sieglinde: Dresden und seine Umgebung um die Mitte des 19. Jahrhunderts, Leipzig 1989, S. 87.

  8. Dass das vorliegende Blatt aus einem der beiden aufgelösten Berliner Skizzenbüchern stammt, ist aufgrund der kleineren Maße dieser auszuschließen. Eine Zuordnung unseres Blattes zu einem der bekannten Skizzenbücher durch die Friedrichforschung ist bisher noch nicht erfolgt.

  9. Vgl. Caspar David Friedrich: Figurenstudien um 1799, Feder in Braun, Bleistift auf Bütten, 23,7 x 19,2 cm Kupferstichkabinett Berlin, Inv.-Nr. SZ CD.Friedrich 80 recto und Caspar David Friedrich: Figurenstudien, um 1800, Feder in Grauschwarz, Bleistift auf Bütten, 24,2 x 18,8 cm, Kupferstichkabinett Berlin Inv.-Nr. SZ CD.Friedrich 106 recto

  10. Kat. Ausst. Caspar David Friedrich. Die Erfindung der Romantik, Museum Folkwangen Essen 2006 und Hamburger Kunsthalle 2007, München 2006, S. 76.

  11. Kat. Ausst: Caspar David Friedrich und die Vorboten der Romantik, Museum Georg Schäfer Schweinfurt und Kunstmuseum Winterthur 2023, München 2023, S. 149.

  12. Schreier, Ditmar: Es war einmal in Dresden. Geschichten und Anekdoten, Kassel 2009, S. 15 f.

  13. Hoffmann, Ernst Theodor Amadeus (eigentlich Ernst Theodor Wilhelm): Der Goldne Topf, in: E. T. A. Hoffmann, Meistererzählungen mit 65 Illustrationen von Gavari, Zürich 1963, S. 92, 103.

  14. Karl Gottfried Traugott Faber (1786–1863) lernte im Atelier Johann Christan Klengels (1751–1824), der 1800 die Professur für die geschaffene Klasse der Landschaftsmalerei an der Dresdner Akademie erhielt.

  15. Caspar David Friedrich: Frau Am Fenster, 1822, Öl auf Leinwand, 44,1 x 37 cm, Alte Nationalgalerie Berlin, Inv.-Nr. A I 918.

  16. Vgl. Karl Gottfried Traugott Faber: Blick auf Dresden, 1824, Öl auf Leinwand, 43 x 33,5 cm, Albertinum | Galerie Neue Meister, Inv.-Nr. 2010/07, © Albertinum | GNM, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Herbert Boswank

  17. Vgl. Grummt, Christina: Casper David Friedrich. Die Zeichnungen Das Gesamte Werk, München 2011, Bd. I, Kapitel: Erste Versuche 1788–1790/94, Die Kopenhagener Akademiezeit 1794–1798 und Frühwerk 1798–1805 (bis zum Aufenthalt in Greifswald 1801).

  18. Caspar David Friedrich: Brisnitz an der Elbe, 20. Mai 1800, Feder in Braun über Bleistift, quadriert, Ritzungen auf Velin, Privatsammlung, vgl. Grummt 2009 Bd. I, Nr. 217, S. 221 (Abb.).

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